Ausländerzentralregister
abschalten
Für
den 25. Mai rufen antifaschistische, antirassistische und
BürgerInnenrechts-Gruppen zu einer zentralen Demonstration
gegen das Ausländerzentralregister (AZR) in Köln
auf.
Das Ausländerzentralregister
ist das zentrale Instrument der rassistischen Sondererfassung
aller Menschen ohne deutschen Paß.
In den
50er Jahren bestand aus Sicht des Bundesinnenministeriums
die "Notwendigkeit einer verstärkten Überwachung
der Ausländer im Bundesgebiet". Sie erwarteten Widerstand
der angeworbenen ausländischen Arbeitskräfte gegen
ihre schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen. Dies hatte
die Einrichtung des Ausländerzentralregisters zur Folge.
Das AZR wurde bereits am 1. August 1967 auf ein automatisiertes
Verfahren umgestellt.
Mit dem AZR wurde ein Informationsverbund von Ausländerbehörden,
Bundesgrenzschutz (BGS), Zoll, Justiz, Arbeitsämtern,
Geheimdiensten (BND, BfV, MAD) und Polizei geschaffen, und
das machte es zu einem zentralen Netzknoten der staatlichen
Sicherheitsorgane. Das Register ermöglichte auch "online"
den Zugriff auf den/die Erfaßte/n mittels einer Art
Personenkennziffer (AZR-Nummer) und wurde auch in Form der
"Gruppenerfassung" genutzt. Nicht nur das verfassungsrechtlich
verankerte Trennungsgebot von Polizei und Geheimdiensten wurde
hierbei aufgehoben, sondern neben Personalien, Herkunftsland,
Aufenthaltsstatus (Asylantrag, Ablehnung, Abschiebung) wurden
auch ungesicherte Informationen über die Person und ihre
familiäre und soziale Situation gespeichert. Kurz: die
gesamten persönlichen Verhältnisse wurden und werden
registriert.
Nachdem
das AZR über 40 Jahre ohne gesetzliche Grundlage sozusagen
im "rechtsfreien Raum" existierte, wurde dieser
Zustand mit dem Inkrafttreten des "Gesetzes über
das Ausländerzentralregister" (AZRG) am 1. Oktober
1994 im nachhinein legalisiert.
Die Erfassung
zur Ausgrenzung gesellschaftlicher Minderheiten hat in Deutschland
Tradition die bis zur Reichsgründung zurückreicht.
Im "Nationalsozialismus" diente die Erfassung der
Ausgrenzung sowie der rassistischen und antisemitischen Behandlung,
der gewalttätigen Unterdrückung, der Vorbereitung
der Deportationen und Vernichtung, aber auch der "Effektivierung"
des Arbeitskräfteeinsatzes (z. B. der Zwangsarbeit) für
die Vorkriegs- und die Kriegswirtschaft
Nun schlägt
Bundesinnenminister Schily mit Hochgeschwindigkeit Maßnahmen
zur "Bekämpfung des Terrorismus" vor, die augenscheinlich
entweder längst in der Schublade schlummerten (Abschaffung
des Religionsprivilegs, Telefonüberwachung) oder solche,
die eine Grauzone legalisieren sollen, in der sich die Sicherheitsbehörden
bereits praktisch bewegen - wie bei der informationellen Zusammenarbeit
mit den Ausländerbehörden.
Die neuen
Sicherheitspakete ermöglichen der Polizei, dem BGS, dem
Zoll, den Arbeitsämtern, den Staatsanwaltschaften und
den Geheimdiensten den Zugriff auf die Datenbanken des AZR
auch ohne konkreten Verdacht oder Gefahr. Die Sozialämter
wurden als Übermittlungsempfänger in den Datenverbund
mit einbezogen. Diesen Behörden sowie den Sozial- und
Ausländerbehörden wird nun ein automatisierter Online-Zugriff
ermöglicht. Des weiteren darf der Bundesnachrichtendienst
selbständig den Datenbestand rastern.
Die Einladenden
und der angegebene Aufenthaltszweck sowie die hier lebenden
Bezugspersonen sollen von der Ausländerbehörde überprüft
werden. Die Fingerabdrücke von Flüchtlingen sollen
nach der Asylentscheidung künftig zehn Jahre lange gespeichert
werden und vom Bundeskriminalamt automatisch mit dem polizeilichen
Tatortspurenbestand abgeglichen werden. Des weitern sollen
neben dem Bild sowie den Angaben zur Person und Fingerabdrücken
nun auch biometrische Merkmale wie Hand- und Gesichtsform
gespeichert werden. Die erhobenen Daten sollen maschinenlesbar
und codiert auf den vorgesehen Visa- und Aufenthaltsplaketten
sowie in Ausweisersatzpapieren aufgenommen werden.
Relevant ist dies nicht nur für Kontrollen und Behördenkontakte,
sondern auch bei digitalem Bildabgleich im öffentlichen
und halböffentlichen Raum. Bei komplett mit Kameras überwachten
Bahnhöfen, Einkaufspassagen etc. könnte das Bild
einer Person mit der AZR-Datei abgeglichen werden und bei
Erfolg gleich alle über die Person gespeicherten Daten
mitliefern. Diese orwellsch anmutende Vision ist keineswegs
aus der Luft gegriffen, im Londoner Stadtteil Newham ist sie
gängige Praxis. Hier werden ca. 200.000 EinwohnerInnen
flächendeckend videoüberwacht. Mit derartigen Mitteln
können auch die schon längst zur Routine gewordenen
"ver-dachtsunabhängigen" Kontrollen des BGS
an deutschen Bahnhöfen optimiert werden. Zur Identifizierung
von sog. Verdächtigen bedarf es einer Datenbank, wo die
Gesichter abgeglichen werden können.
Mit Hilfe
dieser Repressionsmaßnahmen wird ein präventiv-polizeiliches
Konzept verfolgt. Nicht-Deutsch sind somit per se "tatverdächtig".
Die Überwachungsmaßnahmen, die später einmal
alle betreffen könnten, sind nicht neu; die bereits entwickelten
Maßnahmen sind Trendsetter für die Erfassung anderer
sozialer Minderheiten. Beispiel: In manchen US-Staaten werden
bereits biometrische Merkmale von SozialhilfeempfängerInnen
erhoben, um einen "Missbrauch" von So-zialleistungen
zu vereiteln
Bereits
jetzt ist der Prozeß der Erweiterung der Kontroll- und
Erfassungsmechanismen erkennbar. Demnächst sollen in
Pässen und Personalausweisen neben dem Lichtbild und
der Unterschrift auch biometrische Merkmale von Fingern, Händen
oder Gesicht gespeichert werden. Bereits vor Jahren ließ
die Bundesdruckerei durchblicken, die Biometrie in ihre Druckerzeugnisse
zu integrieren, um der zunehmenden Mobilität der BürgerInnen
gerecht zu werden. Ebenfalls bietet die gesamte Smart-Card-Technologie
ein enormes Ausweitungspotential.
Beispiele:
Die Asylcard - in den Niederlanden müssen sich AsylbewerberInnen
bis zu viermal täglich an entsprechenden "Terminals"
melden, die Identifizierung läuft über den digital
abgespeicherten Fingerabdruck; Krankenversichertenkarte -
als lebensbegleitende elektronische Krankenakte, einschließlich
der Einführung von Gentests im Vorfeld, um den Versicherungssatz
an das Krankheitsrisiko anzugleichen; die Sozialhilfe-Karte
- um den angeblichen Mißbrauch einzudämmen; Chipkarte
an den Hochschulen - diese soll eingeführt werden, um
genau festzuhalten, wer wann und wo ein Seminar besucht hat.
Das rot-grüne
Sicherheitsprojekt perfektioniert die Verwertung von Menschen.
Die genannten Kontrollmechanismen dienen der sozialen Kontrolle
und der Bevölkerungsplanung. Mit dem Datenaustausch zwischen
allen Behörden kann die Gesellschaft diszipliniert werden.
Wer Sozialhilfe beantragt, häufig zu spät zum Seminar
kommt oder oft krank ist, wird zum potentiellen Leistungsverweigerer
- und somit zum Sicherheitsrisiko für den reibungslosen
Verwertungsprozeß. Von der Norm abweichendes Verhalten
wird dann mit entsprechenden Sanktionen gemaßregelt,
wie z.B. der Kürzung von Sachleistungen. Sozialhilfe,
Bafög, Krankengeld etc. werden zukünftig noch enger
an die Leistungsbereitschaft gekoppelt sein.
In Straßburg
steht nun der große Bruder des AZR. Damit die Migration
auch in Europa genau beobachtet und kontrolliert werden kann,
wurde am 26. März 1995 das Schengener Informationssystem
(SIS) in Betrieb genommen worden. Es ist ein computergestützter
Informationsverbund. Die Vertragsstaaten geben in den Zentralcomputer
auf elektronischem Weg Informationen über Personen und
Sachen ein, nach denen gefahndet wird. Außerdem speichern
sie dort Angaben über Menschen, die aus einem Land ausgewiesen
wurden bzw. werden sollen oder denen die Einreise bereits
einmal verweigert wurde. Jede zuständige Stelle in den
Mitgliedsländern kann die Informationen abrufen. Vom
19. Juli - 28. Juli 2002 findet in Straßburg das diesjährige
Grenzcamp statt.
Es gab
immer wieder Proteste von BürgerInnenrechtsgruppen, DatenschützerInnen
und antirassistischen und antifaschistischen Gruppen gegen
diese Form der rassistischen Sondererfassung von Flüchtlingen
und MigrantInnen.
1986 war
das AZR Ziel eines Sprengstoffanschlages der Revolutionären
Zellen (RZ). Viele Datenbestände wurden dabei zerstört
und das AZR war mehrere Wochen außer Betrieb. In der
Erklärung der Gruppe hieß es: "Im Ausländerzentralregister
beim Bundesverwaltungsamt in Köln ist das gesamte Herrschaftswissen
über alle Nichtdeutschen, die in der BRD aufhältig'
sind oder es jemals waren, in einem gigantischen Pool konzentriert
[...] Das Ausländerzentralregister ist ein rassistisches
und totalitäres Register. Es muß deshalb weg."
Die Demonstration
gegen das AZR soll einerseits die rassistische Sonderbehandlung
von MigrantInnen deutlich machen, andererseits aber auch die
Vorstellung von Totalerfassung konkretisieren und den Widerstand
dagegen formieren.
Schaltet
das Ausländerzentralregister ab!
Demonstration
gegen das AZR
am 25.
Mai 2002 in Köln
Auftakt
11.00 Uhr vor dem AZR
Amsterdamer Ecke Barbara Str.
(zu erreichen von Köln Hbf mit U19 / U17 Haltestelle
Amsterdamer Gürtel)
ab 13.00 Uhr Demonstration ab Ebertplatz in Köln
ab 16.30 Uhr Konzert mit Egotronic, uva.
am Containerlager Kunftstraße (Haltestelle Kalk-Post
aussteigen)
Mehr zum AZR unter www.infoladen.net/koeln. Plakate und Aufrufe
sind zu bestellen unter delete-AZR@gmx.net