Das Mitteldeutsche
Sprachrohr ist im Januar 2002 zum ersten Mal an verschiedenen Schulen in Jena
und Umgebung in Erscheinung getreten, wo es vor allem an jüngere SchülerInnen
zu einem "Spendenpreis" verteilt wurde. Man nannte sich selbst:
"Die Stimme gegen gesellschaftliche und schulische Mißstände".
Vorbild und Unterstützer war das "Norddeutsche Sprachrohr",
dass ein Projekt der "Schülerinitiative für freie Meinungsbildung
und -äußerung" in Greifswald war. Die erste Ausgabe war demzufolge
auch mit der norddeutschen Variante identisch. In den nachfolgenden Ausgaben
ist im Impressum zu lesen, dass die "Jugend für Jena" Herausgeber
der "Schülerzeitung" ist. Man kann also davon ausgehen, dass
die Redaktion des "Sprachrohres" und die "Jugend für Jena"
in Personalunion standen. Die "Jugend für Jena" ist Ende 2001
mit der Forderung nach einem nationalen Jugendzentrum an den Stadtrat herangetreten.
Sie ließen verlauten, dass sie sich mit diesem Projekt am Zittauer Nationalen
Jugendblock orientieren wollen, der 1992 gegründet wurde und oftmals
als Ausgangspunkt gewalttätiger Übergriffe aufgefallen war (so zum
Beispiel auf eine Party von Schwulen und Lesben). Die Forderung nach einem
Nazijugendclub stand hinter einer Kundgebung am 12. Januar 2002 auf dem Jenaer
Marktplatz und dem ersten "Thüringentag der nationalen Jugend".
Sprecher der "Jugend für Jena" war Christian Kaiser, der bereits
vorher in der Naziszene in Thüringen aktiv war.
Das "Mitteldeutsche Sprachrohr" wurde laut Angaben von Ralf
Wohlleben (zu diesem Zeitpunkt NPD-Ortschaftsrat in Jena-Winzerla) von
der NPD inhaltlich und materiell unterstützt. (ARD Polylux im März
2002) Trotzdem die Redaktion versucht hat, dem Projekt einen bürgerlichen
Anstrich zu verleihen, kommen in fast jedem Artikel versteckt oder ganz offen
neofaschistische, rassistische, antisemitische und nationalistische Tendenzen
zum Tragen. In der ersten Ausgabe ist zum Beispiel ein Buchstabenrätsel
abgedruckt, in dem man deutsche Städte finden soll - darunter Breslau
und Stettin. In einem anderen Artikel über das Holocaust-Mahnmal fordern
sie ein Denkmal für die deutschen Bombenopfer und Heimatvertriebenen.
Ein Artikel über den 8. Mai ´45 endet mit den Worten: "Der
8. Mai ist also weder ein Tag der Befreiung und schon gar kein Tag, an dem
man feiern sollte. Zwar wurde das totalitäre Regime des Nationalsozialismus
beseitigt, aber "befreit" wurden wir Deutschen lediglich von unserer
Freiheit und Souveränität und viele sogar von ihrem Leben."
Ansonsten "begeisterte" das "Mitteldeutsche Sprachrohr"
mit Rabattgutscheinen für den Naziladen "Madley" und Werbung
für die Burschenschaft Normannia.
Ende 2002 verkündete die Redaktion des "Mitteldeutschen Sprachrohrs"
in der "Mitteldeutschen Jugendzeitung", dass sie ihren Dienst einstellten,
um sich dem Projekt der "Mitteldeutschen Jugendzeitung" anzuschließen.
Zusätzlich erklärten sie: "Diese wird ab sofort, wie das
Mitteldeutsche Sprachrohr vorher, an den hiesigen Schulen verteilt, um Jugendliche
noch effizienter über die unhaltbaren Zustände in unserem Land aufzuklären
und nationale Politik zu vermitteln." Dem Netzwerk "Mitteldeutsches
Sprachrohr", "Jugend für Jena" und NPD ist es gelungen
einige "nationale Jugendliche" fest in die Szene einzubinden. Dass
beide "Jugendorganisationen" nicht mehr aktiv sind, liegt letztlich
auch daran, dass sie ihr Ziel in Form des "nationalen Wohn- und Schulungszentrums"
in der Jenaischen Straße 25 erreicht haben.
Nachtrag
13.05.2005: Wie es sich herausstellte, ist das "Mitteldeutsche Sprachrohr"
doch noch nicht am Ende. Im Dezember 2004 und Anfang 2005 erschienen wieder
Ausgaben, die jedoch jetzt als Untertitel "Jugend- und Schülerzeitung
für Thüringen" tragen. Laut Impressum sind die ebenfalls totgeglaubte
"Jugendinitiative Jugend für Jena" und eine "Schülerinitiative"
die Herausgeber, Redaktionsvorsitzende ist Anja Kramer. Lokaler Bezug zu Jena
ist außer dem Impressum nicht mehr zu erkennen, bei den Beiträgen
handelt es sich z.B. um eine Sonderausgabe voll von Kriegsgeschichten und
Verherrlichungen der Waffen-SS oder mittelalterliche Geschichten über
Zünfte und Pommern. Bei den Texten handelt es also statt um Selbstgeschriebenes
wohl eher um Kopien. Außerdem finden sich Anzeigen der "Schlesischen
Jugend" und der rechten Burschenschaft Normannia.
Die Einschätzung, dass die von Wohlleben und der NPD initiierte "Jugend
für Jena" und ihr "Sprachrohr" zur Zeit tot sind, bleibt
erhalten, vielleicht erweitert um den Zusatz, der Kadaver stinkt nur leider
noch.