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Materialien
des Bündnisses "Fence Out Terror!"
Das große Schweigen
Nachbetrachtungen
zur antizionistischen Konferenz „Stop the Wall!“ in Köln
Das hatten sie sich
fein ausgedacht, die Linken: Einfach ignorieren wollte man die pro-israelischen
Fanatiker und die Ewiggestrigen der Palästina-Solidarität („Jenseits
von Palästina-Solidarität und Fahnenfetischismus“, ak
Nr. 485). Links liegen lassen sollte man die Einseitigkeit, egal ob sie
pro-israelisch oder pro-palästinensisch daherkomme. Eine eindeutige
Positionierung, wie sie besonders an diesem Tag erforderlich gewesen wäre,
scheuten die Linken aus zwei Gründen: Einerseits war ihre Furcht
vor der „Antisemitismus-Keule“ (Felicia Langer, Lokalberichte,
Nr.12/2004) zu groß, um sich offen auf die Seite der rund 300 auf
der Konferenz versammelten Israelhasser zu stellen. Andererseits hätten
sie das Feindbild Israel aufgeben und Solidarität mit dem jüdischen
Staat bekunden müssen, wenn sie über das bloße Lippenbekenntnis,
gegen Antisemitismus zu sein, hätten hinausgehen wollen. Deshalb
verfahren die Linken stets wie Joschka Fischer: Vor dem Antisemitismus
warnen, die Antisemiten gewähren lassen.
Und in der Tat glänzten die Linken angesichts der Kölner Konferenz
durch Abwesenheit. Weder wurden relevante Teile auf der Konferenz gesichtet,
noch fanden sich mehr als die üblichen Bekannten auf der Gegenkundgebung
ein. Das Dumme für die Linken ist nur: Einige aus ihren Reihen konnten
oder wollten sich an die stillschweigend getroffene Abmachung nicht halten,
so dass es munter aus ihnen heraussprudelte und das ganze Vorhaben der
'linken Objektivität’ oder der 'Ausgewogenheit’
sich als bloße Farce entpuppte. Alfred Schobert beispielsweise,
seines Zeichens Mitarbeiter des garantiert regierungstauglichen Duisburger
Instituts für Sprach- und Sozialforschung, veröffentlichte in
der Zeitung Graswurzelrevolution folgende Zeilen: „Die Konferenz-Grundlage,
die am 17. Januar 2004 verabschiedete 'Kölner Erklärung:
Den Mauerbau in Palästina unverzüglich stoppen!’, unterscheidet
sich wohltuend von den gewohnten antiimperialistischen Kampftexten der
deutschen Palästina-Solidarität.“ (GWR 290, Juni 2004)
Nun, betrachten wir die angeblich sich so wohltuend vom linken Antisemitismus
abhebende Erklärung, die dem Schobert trotz aller Abzüge in
der B-Note so gut gefällt. Dort heißt es: „Gemeinsam
mit unseren palästinensischen, israelischen und internationalen
Partnern in der 'Kampagne gegen die Apartheidmauer’ setzen
wir uns für einen gerechten Frieden in der Region ein. Für
einen solchen Frieden ist ein Ende der israelischen Besetzung und Besiedlung
die unabdingbare Voraussetzung.“ (http://www.freepalestine.de) Mit
anderen Worten: Der antisemitische Terror hört erst dann auf, wenn
Israel sich aus den besetzten Gebieten – ein sehr dehnbarer Begriff
– zurückzieht. Das ist zwar nicht die Position der Hamas, die
offen zugibt, dass sie auch nach einem Rückzug Israels noch Juden
töten wird, aber immerhin die der Fatah, die der Diplomatie den Judenmord
als gleichberechtigtes „Mittel zum Zweck“, der nach wie vor
die Vernichtung des Staates Israel ist, beiseite stellt. Schobert dagegen
fällt dies nicht auf, wenn er – sich differenziert gebend –
davon schwafelt, die Erklärung vermeide es, „den Terror auf
palästinensischer Seite beim Namen zu nennen und ihn zu verurteilen.“
Denn darum geht es den Organisatoren ja auch gar nicht. Sie wollen den
Terror nicht verurteilen, weil sie ihn richtig, d.h. „gerecht“
finden. Deshalb rechtfertigen sie ihn als „Gegengewalt“ oder
„Widerstand“.. Das will Schobert nicht sehen, und so verteidigt
er die Antizionisten, in dem er das an der Erklärung kritisiert,
was ihnen einen schlechten Ruf einbringen könnte. „Drückt
euch gewählter aus“, so könnte man sein eifriges Differenzieren
auf den Punkt bringen.
Aber wie es sich für einen ordentlichen Linken gehört, drängt
es auch Schobert nach soviel Haarspalterei zu Konstruktiverem: „Ihr
(Der Antideutschen – d. Verf.) Hauptfeind heißt Moshe Zuckermann.
Ihn hassen sie, und zwar nicht obwohl, sondern weil dieser Kritiker der
israelischen Regierungspolitik zugleich ein in der Tradition der Kritischen
Theorie stehender kompetenter und scharfer Kritiker deutscher Normalität
ist und das Ineinandergreifen hiesiger antisemitischer Ausfälle
mit israelischer Regierungspropaganda benennt.“ Woher eigentlich
alle immer die Behauptung nehmen, Zuckermann stehe in der Tradition der
Kritischen Theorie, wissen wir nicht. Dass er aber ein – wie Schobert
es nennt – scharfer Kritiker der israelischen Regierungspropaganda
ist, verrät uns Zuckermann selbst, im Interview mit der jungen Welt.
Frage: „Was ist für Sie die Perspektive für einen gerechten
Frieden?“ Antwort Zuckermann: „Ohne vollständigen Abzug
aus den besetzten Gebieten wird es keinen Frieden geben. Gleiches gilt
für die israelischen Siedlungen, wobei ich betonen möchte, dass
diese nicht zerstört werden, sondern für die Infrastruktur eines
neugegründeten palästinensischen Staates nutzbar gemacht werden
sollen – wofür natürlich Abfindungen gezahlt werden müssten.
Die Jerusalem-Frage muss im Rahmen einer Zwei-Staaten-Lösung geregelt
werden, und Jerusalem sollte die Hauptstadt beider Staaten sein. Palästina
muss in einer ersten Phase ein eigenständiger, souveräner Staat
neben Israel werden. Danach kann man dann zu einer föderativen Struktur
gelangen, die Israel und Palästina zusammenführt.“ (junge
Welt; 10.06.04) Dort steht es, schwarz auf weiß: Der zionistische
Staat soll, wenn es nach Zuckermann geht, nicht länger existieren,
sondern Israel soll seinen Charakter als jüdischer Staat aufgeben
und damit seine Funktion, gesicherter Zufluchtsort vor dem Antisemitismus
zu sein, einbüßen. Denn was bedeutet ein föderativer Staatenbund?
Eine nicht-jüdische Bevölkerungsmehrheit, womit die Juden wieder
auf den good will der Nicht-Juden angewiesen wären, noch dazu auf
den guten Willen einer Gesellschaft, in der der Antisemitismus zur Grundausstattung
der (prä)nationalen Identität gehört. Wer gegen Antisemitismus
ist, muss das Ende des Zionismus ablehnen.
Aber freilich hätte jeder schon vorher wissen können, dass Zuckermanns
Nicht-Zionismus ein schnöder, allerdings hübsch verpackter Anti-Zionismus
ist. Aber in dieser Deutlichkeit hatte er sich doch in der Vergangenheit
selten geäußert. Ob nun endlich jemand kapiert, dass Zuckermann
auf der Konferenz nicht „die andere Position vertreten“ (Juliane
Wetzel, Kölner StadtRevue, Juni 2004) wollte? Wohl kaum, denn was
soll man schon von einer Linken erwarten, die nicht einmal bemüht
ist, sich von offenen AntisemitInnen wie Viktoria Waltz oder Rüdiger
Göbel zu distanzieren? Wer wollte sie schon alle noch einmal aufzählen?
Und wozu überhaupt, schließlich haben wir das in unserem Aufruftext
schon in aller Ausführlichkeit getan.
Sicher ist: Die Linken haben in ihrer überwältigenden Mehrheit
nicht einmal die Gelegenheit ergriffen, sich zumindest gegen die völkischen
Beobachter des Antifa-Komitees Duisburg oder gegen Gestalten wie Salman
Abu-Sitta auszusprechen. Letzterer wetterte, das zionistische Projekt
habe von vornherein auf „ethnische Säuberung“ (ak, Nr.
485) gezielt und bekräftigte damit noch einmal sein Bekenntnis zur
berüchtigten UN-Resolution, die Zionismus mit Rassismus gleichsetzte.
Zu guter Letzt legte Abu-Sitta eine Landkarte von 1917 auf und forderte,
da 91% aller Juden in Städten lebten – ein klassisch antisemitisches
Stereotyp –, das Rückkehrrecht für alle Palästinenser
(taz, 07.06.04), was dem Ende des jüdischen Staates gleichkäme.
Die Anwesenden beantworteten diese Kampfansage mit „frenetischem
Beifall“ (ak, Nr. 485); von den nicht anwesenden Linken war statt
Protest nur affirmatives Schweigen zu vernehmen. Alle Linken, die sich
angesichts der antisemitischen Konferenz mit dem altbekannten Herumlavieren
eines Einer- und Andererseits aus der Affäre gezogen zu haben glauben,
haben sich an diesem Tag selbst als Komplizen geoutet. Sie stehen direkt
oder indirekt im Bündnis mit jenen Israel-Hassern, die auf so vielfältige
Weise dem jüdischen Staat den Garaus machen wollen oder zumindest
dabei zusehen. Sie haben damit signalisiert, dass mit ihnen radikale Kritik
am Bestehenden, was zuvorderst die rücksichtslose Kritik des Antisemitismus
beinhaltet, nicht zu machen ist. Das bedeutet nicht zuletzt, dass sie
sich als vollständig unfähig erweisen, auch nur ein tatsächlich
kritisches Wort zur deutschen Regierungspolitik zu formulieren. Sie sind
sich – trotz temporärer Meinungsverschiedenheiten bezüglich
der Schilderung des Ablaufes der Konferenz – einig mit der Regierungspostille
taz, die doch tatsächlich, nachdem sie den antisemitischen Charakter
der Konferenz durchaus treffend beschrieben hatte, in derselben Ausgabe
folgende Worte zum Prozess gegen den Fatah-Terroristen Marwan Barguti
schrieb: „Barguti ist, wie viele andere Palästinenser, die
in ihrem Kampf um Selbstbestimmung und Freiheit keine Alternative zum
Terror sehen, nicht als Mörder auf die Welt gekommen, sondern erst
durch die Besetzung zu einem solchen gemacht worden. Er tötete nicht
aus Mordlust oder um sich persönlich zu bereichern. Er wollte ein
legitimes politisches Ziel erreichen.“ (taz, 07.06.04)
Auch die Tatsache, dass den Redakteuren der taz und der Studierendenzeitung
philtrat mit Gewalt der Zutritt zur Konferenz verwehrt wurde, weil diese
„verkleidete Antideutsche“ seien, macht die ausnahmsweise
tatsächlich bemühte taz nicht besser. Der Wahn der Duisburger
Türsteher zeigte sich aber nicht nur bei der Behandlung der Presse
und der fälschlichen Identifizierung eines medico international-Mitarbeiters
mit Thomas von der Osten-Sacken („Der Anführer der Antideutschen“),
sondern auch in der folgenden Äußerung gegenüber einer
Teilnehmerin an der Fence Out Terror!-Kundgebung, die sich in der Alten
Feuerwache umsehen wollte: „Ich finde es zum Kotzen, dass sich
hier dauernd Juden einschleichen.“ Dazu passt, dass mehrere Mitveranstalter
der Konferenz einzeln per Leserbrief in der taz erklären mussten,
die Konferenz sei gar nicht antisemitisch gewesen, sondern lediglich Israel-kritisch.
Ihr Fußvolk hat das nicht zufällig anders verstanden.
Deswegen schwelgten sie in Gewaltprojektionen, erklärten, sie hätten
„angesichts der geräuschvollen Vorbereitung Polizeischutz für
den Eingang zum Tagungsort bestellt“ (Lokalberichte Nr. 12/2004),
jedoch die „mit allerlei heroischem Pathos angekündigten Versuche
der Antideutschen, 'das Recht auf Selbstverteidigung des Staates Israel
gegen die TeilnehmerInnen und BesucherInnen zu verteidigen’“,
seien erstaunlicherweise „nahezu vollständig“ ausgeblieben.
Eine kleine Schar von GegendemonstrantInnen habe zwar den „Einlass
auf das Gelände“ begehrt, sei „jedoch von den Ordnern
abgewiesen“ worden (ak, Nr. 485). Gewalttätige Übergriffe
der Ordner einschließlich Tritten in die Genitalien kann man in
ihren Augen also gut als Abwehr angeblicher antideutscher Attacken rechtfertigen.
Und das nicht nur, weil Zuckermann GegnerInnen des Antisemitismus als
Antisemiten denunziert hat („Es ist die Frage, ob es sich bei dieser
blinden philosemitischen Pro-Israel-Position nicht um einen antisemitischen
Reflex handelt.“ junge Welt, 10.06.04). Denn schließlich sehen
sich die Antizionisten einem mächtigen Feind gegenüber: „Sogenannte
antideutsche Gruppen, bekannt für ihre Befürwortung der US-amerikanischen
und israelischen Politik, drohen gar, 'das Recht auf Selbstverteidigung
des Staates Israel gegen die Teilnehmer der Konferenz Stop the wall! zu
verteidigen.'“ (junge Welt, 02.06.04) Ob die Antideutschen tatsächlich
Cruise Missile-Angriffe geplant hatten?
Eines steht fest: Hätten am 5. Juni nicht 150 Menschen gegen diese
Konferenz demonstriert, hätte das Bündnis „Fence Out Terror!“
nicht im Vorfeld eine bundesweite Kampagne angestrengt und den Skandal
der in dieser Konferenz zum Ausdruck kommenden antisemitischen Normalität
nicht skandalisiert – niemand hätte sich an den Hetztiraden
gegen Israel gestört, die auf dieser Konferenz munter ausposaunt
wurden. Doch trotz der außergewöhnlich großen Zahl prominenter
TeilnehmerInnen: Was auf der Kölner Konferenz gesagt wurde, ist jeden
Tag in deutschen Zeitungen und linken Internet-Foren nachzulesen. Dieses
Geschwätz ist jederzeit an rechten Stammtischen und in offiziellen
Interviews mit Joschka Fischer zu hören, und wer mit diesem Konsens
nicht zu brechen bereit ist, macht sich tatsächlich zum Komplizen
des Unheils.
Bündnis Fence
Out Terror!
Köln, im Juni 2004
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