Gegen Antisemitismus, Geschichtsrevisionismus und Sexismus!
Kundgebung gegen den völkischen Wahn von Eva Herman, Pro Arnstadt und dem Arnstädter Stadtecho Am 29. September 2011 hat sich die „freie“ Heimatzeitung „Arnstädter Stadtecho“ die Autorin und Journalistin Eva Herman zum 3. Arnstädter Stadtgespräch eingeladen. Herman wird dort über die von ihr so bezeichnete Hetzkampagne gegen ihre Person berichten, nachdem sie sich 2007 wohlwollend über völkische Familienpolitik äußerte und schließlich von ihrem Arbeitgeber, dem NDR, vor die Tür gesetzt wurde. Herman steht für politische Positionen ein, die auf Dauer zu einer Rehabilitierung von NS-Ideologie führen werden und sollen, von der sie sich jedoch, wie sich das für den demokratisch gewandeten Faschismus gehört, selbstverständlich vehement abgrenzt. Steht Herman, was prominente Vertreter angeht, neben Thilo Sarrazin und einigen reaktionären CSU-Politikern, mit diesen Positionen noch recht allein da, so ist das politische Establishment in Arnstadt vollständig in der Hand dieser Klientel. Der Bürgermeister Hans-Christian Köllmer, die regierende Partei bzw. Wählervereinigung „Pro Arnstadt“ und die ihr sehr nahe stehende bzw. mit ihr verfilzte Lokalpostille „Arnstädter Stadtecho“ vertreten seit Jahren protofaschistische [1] Positionen. Und der Erfolg bei Wahlen zeigt neben unzähligen sozialwissenschaftlichen Erhebungen, dass diese Positionen in der deutschen Bevölkerung Mehrheiten finden. Diese Mehrheiten wiederum geben den protofaschistischen Politikern Auftrieb und demokratische Legitimität, denn was die Mehrheit des Volkes denkt, so die bescheidene Logik demokratischer Herrschaft, sollte schließlich Maxime der Politik sein. Warum der Mob aber denkt, wie er denkt, oder besser: warum er nicht denkt, interessiert diese Leute nicht und wie sollte es auch. Sie sind wahrhaft, auch wenn die vermeintlich „richtigen“ Demokraten das nicht hören wollen, Volksvertreter. Sie stehen dafür ein, dass der Borniertheit des ungebildeten, zugerichteten Einzelnen potenziert zur Dummheit der Masse im Politischen Geltung verschafft wird. Aufgabe antifaschistischer Kritik kann es nur sein, diese Ideologie als das zu entlarven, was sie ist: ein radikaler Konservativismus, der sich seit eh und je als Bundesgenosse des Faschismus entpuppte. Antifaschistische Kritik muss danach fragen, „warum und auf welche Weise die moderne Gesellschaft Menschen hervorbringt, die auf jene Reize ansprechen, die solcher Reize bedürfen und deren Sprecher in weitem Maße die Führer und Demagogen aller Spielarten sind.“ [2] Im Nachfolgenden soll der Versuch unternommen werden, die Kritik gegen Herman, „Pro Arnstadt“ und die anderen protofaschistischen Demagogen ein Stück weit zu explizieren, freilich ohne in den Duktus zu verfallen, hier die vermeintlich „schlechten“ Demokraten zu kritisieren, um den „besseren“ den Weg zu bahnen. Herman und Konsorten sind sicher besonders regressive Vertreter bürgerlicher Ideologie, aber als solche immer noch ein Produkt jener Gesellschaftsordnung, die wir als Ganzes ablehnen, nicht nur weil sie derartige Demagogie notwendig hervorbringt, sondern weil sie einem guten Leben für alle Menschen im Wege steht. Eva Herman und die antifeministische Reaktion Frauen zurück an den Herd - so ließe sich in Kürze die zentrale politische Position Eva Hermans zusammenfassen. Mit mehreren Publikationen versuchte sie bereits ein reaktionäres gesellschaftliches Rollenbild der Frau in der bürgerlichen Gesellschaft zu rehabilitieren. Die Rolle der Frau solle es wieder sein, die Reproduktion in Familie und Haushalt zu besorgen. Ihre Ansichten gelten damit als politisches Gegenmodell zum bürgerlichen Feminismus, also als die schlechte Alternative zum beschissenen Status quo. Während sich bürgerliche Feminist_innen heute damit abzufinden scheinen, die formale Gleichberechtigung erwirkt zu haben und sich darauf beschränken weiterhin bestehende Asymmetrien zwischen Mann und Frau abzubauen, die gewaltsame Unterscheidung zwischen zwei Geschlechtern aber beibehalten wollen, will Herman den gesellschaftlichen Rollback. Dass die kulturpessimistische Sicht Hermans auf die kapitalistische Zivilisation zu protofaschistischen Reflexen führt, ist nicht ungewöhnlich. Sie bemerkt in der gegenwärtigen Gesellschaft die Zunahme von Vereinzelung und die Abnahme sozialen Halts, wie sie die Familie einst lieferte. Anstatt nun der Ursache von Vereinzelung auf den Grund zu gehen und so eine strukturelle Veränderung im Charakter kapitalistischer Vergesellschaftung zu finden, besinnt sich Herman lieber, wie so viele konservative, deutsche Kulturpessimisten auf die guten alten Zeiten und landet zwangsläufig - ob expliziert oder nicht - im Nationalsozialismus, in dem, so kolportiert man in diesen Kreisen, nicht alles schlecht war. Zum Beispiel die vielen Autobahnen auf denen wir heute noch fahren und das Mutterkreuz, das die deutsche Mutter in ihrer Funktion als Gebärmaschine für den zu militarisierenden Nachwuchs noch zu würdigen wusste. Doch die politische Großwetterlage in der BRD erlaubte zu diesem Zeitpunkt keine Rehabilitierung nationalsozialistischer „Werte“, auch wenn Herman nur beteuerte, die Nationalsozialisten missbrauchten diese guten und bis dahin bestehenden Werte. Dass mit Werten oder einer Kultur, die in den Nationalsozialismus führten, etwas nicht stimmen kann, kommt Herman nicht in den trüben Sinn. Und so erlebte Herman das, was Thilo Sarrazin wenige Jahre später durchmachte. Sie wurde zur Aussätzigen gemacht, weil sie aussprach, was Millionen glaubten und glauben wollten, nämlich, dass Opa doch kein Verbrecher war und die deutsche Schuldabwehr berechtigt ist. In bezeichnender Weise zeigt das eine „Debatte“ in der Fernsehshow Johannes B. Kerner vom 9. Oktober 2007. [3] Herman sollte sich hier für ihre Aussagen über NS-Familienwerte und den Vorwurf der Gleichschaltung gegen die deutschen Massenmedien rechtfertigen. Das inquisitorische Podium, das neben Kerner noch den widerlichen Sexisten Mario Barth aufbot, wurde von Herman nahezu vorgeführt. Sie hatten der NS-Nostalgikerin nichts entgegenzusetzen, als moralische Brüskierung und eine Expertenmeinung vom Berliner Historiker Wolfgang Wippermann, der nicht wirklich die richtigen Worte fand und sich rückblickend für eine inszenierte Inquisition missbrauchen ließ. [4] Diese Debatte zeigt, in der Auseinandersetzung mit protofaschistischen Demagogen, wie Herman und Sarrazin fehlen den vermeintlich „besseren“ Demokraten immer wieder die Argumente. Beide Parteien legitimieren sich über demokratische Mehrheitsverhältnisse und wollen von kapitalistischen Zwängen, von Zurichtung, von Entfremdung und Verdinglichung nichts wissen. Die bestehende Wirklichkeit gilt ihnen als die einzig denkbare und ist damit die Basis ihres Denkens und Handelns. Und auch die vermeintlich besseren Demokraten werden einknicken, wenn ihre moralischen und sonst kaum mehr artikulierbaren Einwände von Wahlsiegen der Faschisten und demokratisch gewandeten Faschisten weggefegt werden. Andererseits ist der Einfluss solcher Strömungen längst unverkennbar. Prominentestes Beispiel ist die faktische Abschaffung des Asylrechts nach den faschistischen Ausschreitungen gegen Nicht-Deutsche Anfang der 90er in Rostock-Lichtenhagen, Hoyerswerda und anderen Städten. Herman geriert sich dabei, wie so viele Demagogen vor und nach ihr, als Tabubrecherin. Dieser vermeintliche Tabubruch ist ein alter Trick: Man spreche eine Scheußlichkeit aus, der die nicht denkende Masse ohne weiteres frenetisch zustimmen wird (z.B. „Im Nationalsozialismus war nicht alles schlecht“, „Die Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg“, „Die Juden sind unser Unglück“), genießt den Applaus und empört sich schließlich noch über die „politisch korrekten Meinungsdiktatoren“, die einen die Menschenverachtung der eigenen Worte aufs Brot schmieren wollen. Dabei ist das, was da geäußert wird kein Tabubruch, sondern der Common sense der Kleinbürgerlichkeit, das täglich am Stammtisch, im Wartezimmer und an der Supermarktkasse Geäußerte. Der hier von den Demagogen Herman, Sarrazin und Co. repräsentierte Bürger, ist virtuell schon der Nazi, der seine erbärmliche Existenz und kümmerliche Individualität im wohligen Schoß der Volksgemeinschaft aufzulösen jederzeit bereit ist. Einen ganz aktuellen Angriff auf einen ungezwungeneren, freilich aber noch keineswegs vernünftigen, Umgang mit Sexualität lieferte die Meisterin des Triebverzichts als sie die Massenpanik auf der Loveparade in Duisburg 2010 nur als logische Folge des dort stattfindenden "Sodom und Gomorrhas" darstellte. [5] Die Demagogie Eva Hermans ist zu verstehen als Angriff auf einige der letzten prekären Freiheiten, die diese Gesellschaftsordnung noch gewährt, auf sexuelle Freizügigkeit und Selbstbestimmung, auf die Möglichkeit Nein zu sagen, zu „Kindersegen“ und „Mutterglück“ und auf die falsche Alternative „Karriere oder Familie“ zu scheißen. Das Arnstädter Stadtecho und seine geschichtsrevisionistische und antisemitische Blattpolitik Eingeladen wurde Eva Herman von der kostenlosen, monatlich erscheinenden „Heimatzeitung“ „Arnstädter Stadtecho“. Herausgeber des Stadtechos, das sich im Laufe der Jahre als ein inoffizielles Organ der Partei „Pro Arnstadt“ um Hans-Christian Köllmer etabliert hat, war bis August 2009 Hans-Joachim König, der Anfang des Jahres 2010 als Referent bei einem Stammtisch von Pro-Deutschland wieder einmal deutlich seine politische Haltung zum Ausdruck brachte. [6] Bereits im Jahr 2007, als Arnstädter Neonazis versuchten eine antifaschistische Kundgebung anzugreifen, bekundete König im Stadtecho seine Sympathie mit den Angreifern. War er noch am Tag des versuchten Angriffs auf der Seite der Neonazis, vertieft ins Gespräch mit Patrick Wiedorn, zu sehen, ergriff er im Nachhinein Partei für „die hier aufgewachsenen Menschen aus unserem Leben“, wie er sie bezeichnet, und deren für ihn überzeugende Argumente. [7] Nennt er sie hier noch seine Kameraden von der nationalen Front, findet er zwei Jahre später, nachdem der „Thüringentag der nationalen Jugend“ in Arnstadt stattfand, ähnlich liebevolle Worte, als er sie als die „Nationalen“, von denen man ja halten könne was man wolle, umschreibt. Da verwundert es auch nicht, dass er im Stadtecho seinen „Kameraden“ die Möglichkeit gibt ihre völkische Kapitalismuskritik unter die Menschen zu bringen, wie im Dezember 2009 in Form eines Leserbriefes vom Neonazi Patrick Wiedorn der Fall. Im August 2009 ging König in den Ruhestand und Hoffnung brandete auf. Allerdings vergeblicher Weise, denn die Leitung der Heimatpostille übernahm das „Pro Arnstadt“-Mitglied Stefan Buchtzik und an der Blattpolitik änderte sich nicht das Geringste. Neben heimattümmelnden und regionalen Beiträgen über 80ste Geburtstage, Unternehmensjubiläen und randalierende Jugendliche in der Innenstadt, finden sich in fast jeder Ausgabe Beiträge mit geschichtsrevisionistischen bis hin zu antisemitischen Inhalten. Das fängt an bei Opas Heldengeschichten aus dem Krieg (z.B. August 2009), die den Eindruck erwecken, die Deutschen waren ein Volk aus gestandenen, verantwortungsbewussten Familienmenschen und eben keine Irren, die auf bestialische Weise Millionen Menschen ermordeten. Es geht weiter mit üblen geschichtsrevisionistischen Texten, beispielsweise als König die alliierten Luftangriffe auf Dresden als „Terrorangriffe“ bezeichnete (Februar 2010) oder wenn in Buchrezensionen die „Alleinschuldthese“ in Frage gestellt und unterstellt wird, Deutschland sei in den Krieg gezwungen worden (August 2009). Vor allem diese Buchrezension, meist von Büchern aus dem verschwörungsaffinen Kopp-Verlag, [8] bei dem im Übrigen auch Eva Herman ihr letztes Buch publizierte, sind es oft, die den Raum für Verschwörungen bis hin zu latentem Antisemitismus öffnen. Nämlich dann, wenn behauptet wird, dass hinter dem Tod Jörg Haiders, hinter der RAF und dem Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA „geheime Kräfte“ stecken oder wenn geschrieben wird, dass Barack Obama einem „Kartell an der New Yorker Wallstreet“ dient (alles Juni 2009). Hinter solchen Behauptungen steckt die Halluzination einer jüdischen Weltverschwörung, was Buchtzik, König und Co. mal mehr mal weniger offen durchblicken lassen. Dabei gehört es selbstverständlich für einen guten Verschwörungstheoretiker dazu, sich auf sogenannte Expertenmeinungen zu verlassen. Auf solche „Autoritäten“ stützen sich Demagogen immer dann, wenn hinter den „Analysen“ keine Argumente stehen, sondern im besten Fall tendenziöse und bedenkliche Statistiken bzw. „Studien“ oder eben einfach nur wirre Spekulationen und Halluzinationen. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Rezension einer Studie aus den sonst so verwunschenen USA. Diese sollte herausgefunden haben, was Nazis aller Couleur schon lange wussten, nämlich dass die Juden weltweit ein gemeinsames Gen vereint, was sie „besonders“ macht (Oktober 2010). Die Quelle für diese „Studie“ wurde nicht genannt und später ergaben Recherchen des hiesigen Bündnis gegen Rechts, dass diese „Studie“ von den Rassenforschern aus dem Stadtecho, gelinde gesagt, etwas überinterpretiert wurde. [9] Die Liste solcher Beispiele ließe sich beliebig fortsetzen. [10] Ein weiteres Steckenpferd des Stadtecho ist die oben bereits angedeutete Verharmlosung von Nazidemos, die das Stadtecho mehr wohlwollend, als abgrenzend kommentiert bzw. sich lieber über die Proteste gegen die Aufmärsche echauffiert. Verwundern sollte diese Harmonie zwischen organisierten Nazis und dem Stadtecho jedenfalls nicht. Das monatlich in einer Auflage von 20.000 Stück verteilte Stadtecho finanziert sich über Werbeeinnahmen von ca. 150 Unternehmen aus Arnstadt und Umgebung, die im Stadtecho Werbeanzeigen schalten. Mehrere Versuche diese Inserent_innen über die Blattpolitik des Stadtechos aufzuklären blieben nahezu erfolglos, sodass davon ausgegangen werden muss, dass die inserierenden Unternehmer_innen wohlwollend und wissend die antisemitische und geschichtsrevisionistische Hetze des Stadtechos unterstützen. Antikommunismus und NS-Verharmlosung bei Pro Arnstadt Doch nicht nur das Stadtecho als inoffizielles Organ von „Pro Arnstadt“ übt sich in NS-Verharmlosung, auch das Mutterschiff, allem voran der Bürgermeister Hans-Christian Köllmer, machte nie einen Hehl daraus, dass man mit Nazis in dieser Stadt die geringsten Probleme hat. Das zeigt sich zum Beispiel dann, wenn es darum geht antifaschistischen Initiativen in Arnstadt das Leben schwer zu machen und Räume für Aufklärungsveranstaltungen zu verweigern. Aber auch die stetige Weigerung des Bürgermeisters, gegen die regelmäßigen Naziaufmärsche Protestaktionen einzuleiten, spricht Bände. Als es im Juni 2009 wieder mal soweit war, erklärte Köllmer auf Kritik im Stadtrat allen Ernstes, die Nazis seien ihm zu weit links, denn im Nationalsozialismus stecke ihm zu viel Sozialismus drin. [11] Gegen die bundesweit auf Arnstadt einprasselnde Kritik zeigen sich Köllmer und „Pro Arnstadt“ unbeirrt. Gegen Wahnsinn stand vernünftige Kritik schon immer auf verlorenem Posten. Ein weiteres Mal machte Köllmer bundesweit Schlagzeilen, als er eine Verteidigung der Thesen Thilo Sarrazins unterschrieb und sich öffentlich zu „Pro Deutschland“ bekannte, einem Sammelbecken für enttäuschte CDU'ler und NPD'ler. Im Eifer des Gefechts entfleuchte dem reichlich bornierten Köllmer dann der Satz, man werde als Rechter jetzt schon so angefeindet, wie in den 30er Jahren die Juden in Deutschland. Diese NS-Verharmlosung schlug dermaßen ein, dass sogar Köllmer zurückrudern musste und sich entschuldigte. [12] Im Sommer 2008 ließ Köllmer mehr oder minder im Alleingang in der Rosenstraße ein Denkmal mit der Inschrift „Denkmal für die Opfer kommunistischer Gewalt 1945 – 1989“ errichten. [13] Diese Aufschrift weist daraufhin worum es hier geht, nämlich keinesfalls um die Opfer des DDR-Regimes, sondern um eine Abrechnung mit dem Kommunismus als Idee und Gesellschaftstheorie als solche. Eine mühselige Unterscheidung zwischen der Idee einer klassen- und staatenlosen Weltgesellschaft und den autoritären Regimes des ehemaligen Ostblocks war von Köllmer und Co. niemals vorgesehen. Für ihn ist Idee und Wirklichkeit in eins zu setzen, was nicht nur für seinen beschränkten intellektuellen Horizont spricht, sondern auch Ausdruck der antikommunistischen Ideologie ist, als deren Verfechter sich Köllmer inbrünstig ausrief, als er bei einer Veranstaltung im Februar 2009 vor Fans grölte, er sei ein richtiger, ein echter Antikommunist und von seinesgleichen dafür frenetisch gefeiert wurde. [14] In der Debatte um das Denkmal, das immer wieder von Sprühereien gereinigt werden musste, [15] ließen die Protofaschisten Köllmer und Co. immer wieder das kalte politische Kalkül hinter der Fassade der Opferfürsorge durchblicken. Es ging ihnen um Geschichtsklitterung, die Abrechnung mit der Idee einer umfassenden Emanzipation und die Schuldabwehr nach den nationalsozialistischen Verbrechen. Die immer wieder angebrachten Vergleiche zwischen DDR und Nationalsozialismus dienten zum Einen der Dämonisierung der DDR, von der im einfachen ostdeutschen Bewusstsein weithin romantische Vorstellungen einer kuschligen Gemeinschaft in Abgrenzung zum jetzt herrschenden kalten kapitalistischen Konkurrenzprinzip existieren. Und es ging um die Relativierung des Nationalsozialismus. Die Gaskammern, Erschießungskommandos und produzierten Leichenberge des deutschen Faschismus werden mit einigen hundert auf der Flucht Erschossenen an der deutsch-deutschen Grenze in eins gesetzt, wodurch die unbegreifliche, grundlose und planmäßige Tötung von Millionen Menschen verharmlost wird. Diese Verharmlosung ermöglicht den Deutschen die Abwehr ihrer Schuld. So erscheinen die Verbrechen des Nationalsozialismus nun nicht mehr als singuläre, unvergleichbar grausame, sondern als lediglich ein weiteres dunkles Kapitel der deutschen Geschichte. Die Apologeten der hier angewendeten Totalitarismustheorie übersehen dabei auch die Schnittmengen zwischen ihnen und den totalitären Nazis. Ob Köllmer, Buchtzik und Co. das intendieren oder nicht, objektiv läuft ihre politische Demagogie auf die Bundesgenossenschaft mit dem Faschismus hinaus. Solange der Erfolg von Köllmer und „Pro Arnstadt“ ein lokales Phänomen bleibt, werden sich die Auswirkungen auf das gesellschaftliche Leben in Grenzen halten. Nichtsdestotrotz können sie, wie Eva Herman oder Thilo Sarrazin als protofaschistische Katalysatoren zur Etablierung einer politischen Kraft beitragen, die das Bindeglied zwischen Konservatismus und Faschismus darstellt. Das Potenzial, um einer solchen Strömung demokratische Legitimität zu verleihen, besteht in der deutschen Bevölkerung allemal. Sie repräsentieren hier das Kleinbürgertum und weitere bildungsferne Unterschichten, die für die Unbequemlichkeit und Härte kapitalistischer Vergesellschaftung einfache Gründe und Lösungen suchen und in der protofaschistischen Demagogie auch finden, sei es im kulturpessimistischen Reflex des vermeintlichen Werteverlusts in der Moderne und der damit einhergehenden Rehabilitierung und Verharmlosung der düsteren deutschen Vergangenheit oder in der platten Schuldsuche bei konkreten Ausländern, die den Deutschen die Arbeitsplätze und die Sozialhilfe wegnehmen und den abstrakten Juden, die sowieso für alles Unverstandene und Böse am Kapitalismus verantwortlich gemacht werden. Fazit Der Protofaschismus von Herman, Buchtzik, Köllmer und Co. affirmiert den Kapitalismus als ewige und einzige Ordnung. Die Mechanismen kapitalistischer Vergesellschaftung werden dabei weder verstanden, noch hinterfragt, sondern als Basis politischer Intervention akzeptiert. Umgekehrt ist es der Niederschlag dieser Vergesellschaftungsweise in den Köpfen der Menschen, der die liberale ebenso wie die protofaschistische und faschistische Ideologie hervorbringt. Dabei steht es jedem und jeder frei sich in diesen Ideologien einfache Antworten zu suchen, auf die Probleme, die mit dieser Gesellschaftsordnung einhergehen oder sich für den umständlicheren Weg politischer Emanzipation zu entscheiden und damit Bestehendes rücksichtslos und grundlegend zu hinterfragen. In solch verfahrenen und verkehrten Verhältnissen, in denen die schlechten, aber noch einige wenige Freiheiten gewährenden, Zustände im demokratischen Kapitalismus zum Kippen gebracht werden könnten von reaktionären Tendenzen, wollen wir unsere Einwände dagegen zum Ausdruck bringen, freilich in der Hoffnung zur kritischen Bewusstseinsbildung vieler Menschen beitragen zu können. Wem die Kritik dieser Verhältnisse ein Anliegen ist, der_die sei herzlich willkommen auf der antifaschistischen Kundgebung am 29. September um 19 Uhr auf dem Riedplatz in Arnstadt. Antifa Arnstadt/Ilmenau, September 2011 Fußnoten / Anmerkungen: [1] Der Begriff „protofaschistisch“ oder „präfaschistisch“ bezeichnet Positionen, die weder mit dem Begriff „konservativ“, noch mit dem Begriff „faschistisch“ zu charakterisieren sind. Sie sind vielmehr als radikalisiert konservativ zu fassen und münden früher oder später notwendig in faschistisches Denken. Alternativ hierfür sind Begriffe wie „rechtspopulistisch“ oder „rechtsextrem“ geläufig. Diese lehnen wir wegen der hier naheliegenden Suggestion ab, es gebe analog bzw. parallel dazu einen vergleichbaren linken Extremismus bzw. Populismus. [2] Adorno, Theodor W.: Beitrag zur Ideologienlehre. In: Ders.: Gesammelte Schriften, Band 8. Suhrkamp-Verlag, Frankfurt am Main, 2003, S. 466. [3] Vgl. http://www.youtube.com/watch?v=v5a02uRbaqQ&feature=related + http://www.youtube.com/watch?v=43NRPdov91I [4] Ein Historiker, der erklärt, der Begriff „Gleichschaltung“ sei nicht mehr zu verwenden, weil sie Nazis ihn gebrauchten, kann nicht ganz bei Sinnen sein. Gerade die Verwendung im pejorativen Sinne kann dazu hilfreich sein, auf gesellschaftliche Tendenzen aufmerksam zu machen, beispielsweise auf eine schleichend sich etablierende Konformität in Politik und Medien. Dass Herman ihn verwendet, um sich selbst als Opfer einer verschwörerischen „Meinungsdiktatur“ zu gerieren, mag Unsinn sein, aber dann sollte man das auch so darstellen und nicht so tun, als müsse Herman wegen der Verwendung des Begriff bei Hitler persönlich in die Lehre gegangen sein. [5] Vgl. http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/deutschland/eva-herman/sex-und-drogenorgie-loveparade-zahlreiche-tote-bei-sodom-und-gomorrha-in-duisburg.html [6] Vgl. http://www.agst.afaction.info/index.php?menu=news&aid=393 [7] Vgl. http://www.agst.afaction.info/index.php?menu=news&aid=79 [8] Infos zum Kopp-Verlag: http://www.esowatch.com/ge/index.php?title=Kopp_Verlag [9] Vgl. http://www.bgre.de/2010/11/03/arnstaedter-stadtecho-und-die-juedischen-gene/#more-340 [10] Weitere Scheußlichkeiten aus dem Stadtecho sind, natürlich nicht vollständig, sondern meist nur aus vereinzelten Ausgaben auf der Homepage der Antifaschistischen Gruppen Südthüringen dokumentiert und kommentiert: z.B.: Arnstadt: Immer wieder das "Arnstädter Stadt-Echo" (13.07.2009) http://agst.afaction.info/index.php?menu=news&aid=308 ; Arnstadt: Personalwechsel beim Stadt-Echo (12.09.2009) http://agst.afaction.info/index.php?menu=news&aid=328 ; Arnstadt: Von national-konservativen Faschisten und faschistischen National-Konservativen (03.03.2010) http://agst.afaction.info/index.php?menu=news&aid=374 ; Arnstadt: Das Arnstädter Stadt-Echo über jüdische Gene, Thilo Sarrazin und die "Lügen der Alliierten" (27.11.2010) http://agst.afaction.info/index.php?menu=news&aid=445 ; usw. [11] Vgl. http://agst.afaction.info/index.php?menu=news&aid=281 [12] Vgl. hierzu: http://www.agst.afaction.info/index.php?menu=news&aid=378 [13] Vgl. http://www.agst.afaction.info/index.php?menu=news&aid=215 [14] Vgl. http://www.agst.afaction.info/index.php?menu=news&aid=257 [15] Vgl. http://www.agst.afaction.info/index.php?menu=news&aid=242 und http://www.agst.afaction.info/index.php?menu=news&aid=317 |
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